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10.02.2019 20:50

Azubis mit Migrationshintergrund erfolgreich durch den deutschen Paragraphen-Dschungel

Der Ausbildungsberuf der/des Steuerfachangestellten ist ein sehr anspruchsvoller Ausbildungsberuf, bei dem es oft um komplexe steuerliche Sachverhalte geht, die von den Auszubildenden mit Hilfe von Gesetzestexten gelöst werden. Vor diesem Hintergrund ist die Geschichte dieser drei jungen Erwachsenen, die sich der Herausforderung trotz ihrer sehr geringen Deutschkenntnisse stellen, besonders beeindruckend und erfreulich.

Zhe ist 32 Jahre alt und kam im Januar 2013 der Liebe wegen von China nach Deutschland. Sie ist Mutter einer viereinhalbjährigen Tochter. Nach zwei Jahren Erziehungszeit begann Zhe nach einem Arbeits-/ Ausbildungsplatz zu suchen. Eine chinesische Bekannte brachte sie auf den Beruf der Steuerfachangestellten. Zhe suchte daraufhin Kanzleien, die ausbilden, bewarb sich und fand schließlich einen Ausbildungsplatz bei der Kanzlei Klasens & Kellermannin Moers.

Als Samir 2015 mit 15 Jahren aus Afghanistan allein hier eintraf, besaß er nichts außer seinem Leben. Kein Geld, keine Sprachkenntnisse, keine Unterkunft. Drei Monate später wohnte er in einem Wohnheim für Jungen. Durch den Kontakt zu deutschen Mitmenschen sowie aufgrund zahlreicher Sprachkurse erwarb er derart gute sprachliche Fähigkeiten, dass er 2017 die Kamp-Lintforter Gesamtschule mit der Fachoberschulreife einschließlich der Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe abschloss. Sein Engagement in einem Taekwondo Verein brachte ihm neue Freunde; Menschen, die ihn dabei unterstützten, einen Praktikumsplatz bei der Steuerberatungskanzlei VPmed Karch, Kuhnert & Partner mbBin Krefeld zu finden, wo ihm im Anschluss ein Ausbildungsplatz zugesichert wurde.

Minyoung ist erst seit November 2016 in Deutschland. Sie ist 25 Jahre alt und kommt aus Südkorea, wo sie bereits ein Germanistikstudium absolviert hatte. Aufgrund der hiesigen Berufschancen entschied sie sich, nach Deutschland auszuwandern. Ihre Eltern und ihre Schwester, die in Südkorea ebenfalls als Steuerfachangestellte arbeitet, leben weiterhin in Minyoungs Heimat. Mit der Hilfe ihrer Tante, die in Düsseldorf wohnt, gelang es ihr vorab, einen Ausbildungsplatz bei der Kanzlei Lorenz, Rheingans & Partnerin Krefeld zu finden.

Zunächst fiel es den Azubis schwer, sich an die Arbeit mit den deutschen Steuergesetzen zu gewöhnen und sie hatten Angst, die Ausbildung nicht erfolgreich abzuschließen. Auch ein Wörterbuch half nicht immer, denn für Begriffe wie beispielsweise Werbungskostenoder Sonderausgabengibt nicht immer eine adäquate Übersetzung in ihrer Muttersprache. Dennoch ließen sie sich nicht entmutigen und zeigten, dass es mit hoher Motivation auch für junge Erwachsene mit Migrationshintergrund möglich ist, sich in der Berufsschule und im Dualen System zu etablieren. Inzwischen sind die Drei zu sehr leistungsstarken Schülerinnen und Schülern geworden. Zhe, Samir sowie Minyoung erzielten in der Zwischenprüfung tolle Ergebnisse. 

Sie zeigen großes Interesse an dem Beruf und haben Spaß im Unterricht sowie an ihrer praktischen Arbeit. Ihre weitere berufliche Zukunft nach der Ausbildung sehen die Azubis im steuerlichen Bereich. Samir möchte es gerne bis zum Steuerberater schaffen.

Auf die Frage, was ihnen auf ihrem bisherigen Weg besonders geholfen hat, antworteten sie:

  • Sensibilität und Geduld: Die Ausbilder sowie Kolleginnen und Kollegen in den Ausbildungsbetrieben erklären Sachverhalte und Arbeitsabläufe auf einem anderen Sprachniveau.
  • Individuelle Förderung: Lehrerinnen und Lehrer gehen auf Fragen ein und bieten Unterstützung sowie Hilfestellungen für die besonderen Bedürfnisse an.
  • Außerunterrichtliche Unterstützung:Ein pensionierter Kollege, Herr Wolfgang Höllrigl, erteilt zusätzlichen Nachhilfeunterricht in den Prüfungsfächern.
  • Gute Klassengemeinschaft:Die Mitschüler/innen der ST72 bieten jederzeit bei Fragen und Problemen Hilfestellungen an.
  • Engagement: Auch aus dem privaten Umfeld erhalten die Azubis Unterstützung. 

Samir beispielsweise wird von einem Bekannten aus seinem Sportverein nahezu täglich nach Krefeld mitgenommen. Einmal pro Woche wird er auch abgeholt, da der Rückweg für ihn zwei Stunden Busfahrt bedeutet. 

Wir als Kaufmannsschule freuen uns, dass wir einen Teil dazu beitragen konnten, Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund einen erfolgreichen Start in ihr Berufsleben zu ermöglichen. Wir danken ihnen dafür, dass sie mit ihren Persönlichkeiten und kulturellen Hintergründen unseren Schulalltag und den Unterricht bereichern.

Für ihre Zukunft wünschen wir ihnen weiterhin viel Erfolg und Glück!

Tanja Heesen, OStR´ (Bildungsgangleiterin Steuerfachangestellte)